Salutogenese als Bestandteil des betrieblichen Gesundheitsmanagements

8.12.2020

Im Arbeitsalltag bestehen verschiedene Stressoren, welche einen mehr oder minder größeren Einfluss auf das Wohlbefinden und die Arbeitsleistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen. Je nach Arbeitsbereich und Branche können sich diese Stressoren in ihrer Art stark unterscheiden, sowie der Einfluss auf die jeweiligen Personen sich je nach Persönlichkeit stark unterscheiden kann. Ein Punkt bleibt jedoch gemeinsam: den Auswirkungen, unabhängig vom Ausprägungsgrad, muss zwingend im betrieblichen Gesundheitsmanagement vorgebeugt werden.  

Ein Praxisbeispiel 

 

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Ein junger Mitarbeiter, der seit mehreren Jahren in einem mittelständischen Unternehmen angestellt ist, erkrankt aufgrund einer hohen beruflichen Auslastung innerhalb kürzester Zeit und ohne vorherige Anzeichen am Burn-Out-Symptom, möglicherweise sogar einhergehend mit Symptomen einer Depression. Dieses Szenario möchten Sie zum Wohle Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie zum Wohle des Unternehmens selbstverständlich vermeiden – doch da Belastung und Beanspruchung individuell wahrgenommen werden, ist an dieser Stelle Ihr betriebliches Gesundheitsmanagement an seine (natürlichen) Grenzen gestoßen.  

Diese beispielhafte Situation mag aufgrund persönlicher Erfahrungen nicht unbedingt realistisch klingen – trotzdem nehmen Arbeitsausfallzeiten aufgrund von Burn-Out-Symptomen seit Jahren stetig zu. Unter anderem aufgrund dessen ist im vergangenen Jahr von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschlossen worden, ab 2022 in der neuen Ausführung des Krankheitskatalogs (ICD-11) das Burn-Out-Syndrom zu definieren und damit als offizielles Syndrom zu klassifizieren. Bisher wurde die Klassifizierung der Symptome eines Burn-Out als zu ungenau kritisiert.  

Auch wenn das o.g. Beispiel durchaus als extremes Szenario betrachtet werden kann, können die Auswirkungen eines nicht optimierten Gesundheitsmanagements auch unauffälliger Schaden für das Personal und das Unternehmen auslösen. So können die Ursachen für einen gesteigerten Krankheitsstand, eine verminderte Arbeitsleistung oder eine Erhöhung der Anzahl der Kündigungen auf Management-Ebene nicht immer klar identifiziert werden – das betriebliche Gesundheitsmanagement könnte hierbei durchaus eine Rolle spielen.  

 

Der Einfluss der Salutogenese 

 

Der Begriff der Salutogenese bezeichnet insbesondere die Entstehung und Aufrechterhaltung von Gesundheit. Damit werden bei der Salutogenese nicht die Ursprünge einer Erkrankung identifiziert, sondern einzig die Faktoren zur Gesunderhaltung betrachtet. Im oben genannten Praxisbeispiel wäre also nicht die Frage, warum die Person plötzlich und ohne Vorwarnung erkrankt ist – vielmehr wäre im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements stetig präventiv evaluiert worden, wie die Gesundheit des Mitarbeiters beibehalten und gefördert werden kann.  

Selbstverständlich wird dies in der Praxis bereits gelegentlich gelebt, trotzdem fehlt diese Sensibilität in vielen Fällen. Folgende Maßnahmen werden beispielsweise im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements häufig angeboten:  

  • Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung 
  • Flexible Arbeitszeiten 
  • Initiierung/Förderung von Sportmaßnahmen  
  • Mitarbeitergespräche 
  • Team-Events 

Fraglos sind diese Maßnahmen eklatant wichtig, um den Mitarbeiter bei der Bewältigung der Aufgaben unterstützen. Doch können Maßnahmen wie diese auch eine Präventionsfunktion bei der Bewältigung von Spannungszuständen einnehmen? 

 

Faktoren zur Stressbewältigung 

 

Neben dem offensichtlichen Faktor, den individuellen Persönlichkeitseigenschaften, werden in der Forschung dieser Fragestellung die folgenden Elemente zur Stressbewältigung benannt:  

  • Verständlichkeit/Sinnhaftigkeit: Wenn die Tätigkeit als nicht sinnvoll oder zu komplex betrachtet wird, fällt die Bewältigung von Aufgaben und Stresssituationen deutlich schwerer. Dies kann beispielsweise geschehen, wenn Tätigkeiten außerhalb der eigenen Kompetenz durchgeführt werden.  
  • Vorhersehbarkeit: Wenn unwahrscheinliche Szenarien eintreten, mit denen nicht gerechnet wurde, kann dies zu einer Stresssituation führen. Gerade in agilen Arbeitsbereichen sind Aufgaben und Herausforderungen nicht immer vorhersehbar.  
  • Handhabbarkeit: Sobald Tätigkeiten das Gefühl wecken, mit den eigenen Fähigkeiten und Ressourcen nicht abgeschlossen werden zu können, kann dies eine stressige Situation darstellen. Dabei kommt insbesondere der Erfahrung eine wichtige Rolle zu, wodurch jüngere oder unerfahrene Personen dabei eher betroffen sein können.  

Unter Betrachtung dieser Faktoren fällt auf, dass die beispielhaft genannten Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements (wie z.B. flexible Arbeitszeiten) nicht zwingend dafür geeignet sind, um den o.g. Faktoren zur Stressbewältigung Unterstützung zu leisten. Fraglos sind sie aufgrund dessen nicht falsch, eher könnte das betriebliche Gesundheitsmanagement um die Faktoren zur Stressbewältigung ergänzt werden.  

Selbstverständlich muss im Rahmen der Stressbewältigung auch klargestellt werden, dass nicht alle Stressoren langfristigen Schaden anrichten müssen. So wird in der Arbeitspsychologie zwischen den folgenden drei Komponenten unterschieden:  

  • Belastung: Eine Belastung wird durch Einflussfaktoren, wie z.B. Lärm oder Zeitdruck, hervorgerufen 
  • Beanspruchung: Auf Grundlage von Belastungen entstehen Beanspruchungen, welche einen körperlichen Einfluss auf eine Person nehmen können (beispielsweise Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme oder psychische Probleme) 
  • Stress: Wird eine oder mehrere Beanspruchungen langfristig aufrechterhalten, kann dies zu Stresssymptomen führen. Bei anhaltendem Stress können neben psychischen Beschwerden beispielsweise Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Schädigungen der Organe auftreten  

Die Ausprägung der o.g. Faktoren zur Vermeidung von Stresssituationen wird zum Großteil durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter individuell wahrgenommen – einer Person die Wahrnehmung der Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit anzusehen, ist beispielsweise kaum möglich. Trotzdem kann dies durch eine kommunikative Führung und eine offene Kommunikationsstruktur durchaus identifiziert werden.  

 

Fazit 

 

Das betriebliche Gesundheitsmanagement initial aufzusetzen und auf dessen vollständige Funktionalität zu bauen, scheint gerade Unternehmen mit agilen Tätigkeiten keine empfehlenswerte Handlungsweise zu sein. So sollte eher darauf geachtet werden, insbesondere in der individuellen Kommunikation wie beispielsweise Mitarbeitergesprächen, einen Fokus auf die Elemente zur Stressbewältigung zu legen. Dabei ist es wichtig, einen gesteigerten Wert auf die Wahrnehmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu legen – der potenzielle Schaden, der durch anhaltende Spannungssituationen entstehen kann, kann in Individualfällen kaum bemessen werden.  

 

Der Autor: Dominik Großmann ist als Associate Consultant bei der Blue Mountain Consulting GmbH tätig und verantwortet neben der Beratertätigkeit verschiedene Projekte im Rahmen der Websiteentwicklung.